Die Entstehung von Safe Spaces – also quasi sicheren Räumen – lässt sich unter anderem auf die queere Szene in den 1960er Jahren in den USA zurückführen, als Schwule, Lesben und Transpersonen eigene Räume schafften, um sich ungestört – also frei von gesellschaftlicher Kontrolle und Polizeigewalt – zu treffen, auszutauschen und politischen Widerstand zu organisieren (vgl. Kenney 2001: 23). Das Konzept spielte auch in der Zweiten Frauenbewegung eine wichtige Rolle: Geschützte Räume im Sinne von Räumen ausschließlich von und für Frauen wurden genutzt, um die kollektive Bewusstseinsbildung gesellschaftlich benachteiligter Frauen in den Vordergrund zu rücken. Das Ziel war es, über einen persönlichen Austausch eigener Erfahrungen die Stellung der Frau in der damaligen Gesellschaft zu analysieren, sich von patriarchalem Denken zu distanzieren sowie gemeinschaftliche Werte, Ziele und Sichtweisen zu entwickeln (vgl. ebd.: 24). Auch für Schwarze Frauen waren und sind bis heute Safe Spaces wichtiger Teil ihres politischen Widerstands. Die Autorin von RosaMag Ciani-Sophia Hoeder schreibt dazu: »Hinter dem Konzept der Safe Spaces steht also die Idee, eine inklusive Umgebung, frei von diskriminierenden Äußerungen, zu schaffen. Frei von Mikroaggression und triggernden Formulierungen. Einfach ein Mensch zu sein, entkoppelt von der eigenen Hautfarbe. Ich würde schon soweit gehen und sogar sagen, dass ‚Safe Spaces’ ein Urlaub vom Rassismus sind. In Theorie versteht sich.« (Hoeder 2020).

Ein Safe Space ist also ein (physischer oder virtueller) Raum, eine Räumlichkeit oder ein Ort im Sinne eines Rückzugsortes für Menschen, die von Marginalisierung, Diskriminierung oder anderen Formen gesellschaftlicher Ausgrenzung, sozialer Ungleichheit und/oder Zurückweisung betroffen sind. Häufig werden Safe Spaces in sozialen Kollektiven, Initiativen und Gruppen gegründet, um einen vor anderen Mitgliedern der Gesellschaft geschützten Bereich für die Betroffenen zu schaffen, der auf dem kollektiven Verständnis der Gruppe beruht. Innerhalb dieses Raumes ist es Menschen mit Ausgrenzungserfahrungen möglich, sich ungestört auszutauschen und widerständige Strategien zu entwickeln. Der Safe Space definiert hierbei einen Ort, an dem die Personen sich im Gegensatz zum Leben im öffentlichen Raum sicher sein können, auf Gleichgesinnte zu treffen und nicht für ihre Aussagen und das Teilen ihrer Erfahrungen von anderen kritisiert zu werden. Safe Spaces sollen vor unterschiedlichen Formen von Gewalt und Diskriminierung schützen: vor sexuellen Übergriffen, vor der Reduktion auf idealisierte oder sexualisierte Körperbilder bzw. generellem Sexismus sowie vor Rassismus, Homophobie oder Transphobie (vgl. Kokits, Thuswald 2015: 84).

In vielen der in dieser Ausstellung gezeigten Initiativen, Gruppen und Themenfeldern spielt das Konzept des Safe Space eine wichtige Rolle. Zum Beispiel zeigt bereits der Name des offenen Zusammenschlusses »Netzwerk von und für Frauen und Mädchen mit Behinderung in Bayern«, dass gezielt eine bestimmte Gruppe von Frauen angesprochen wird, die sowohl aufgrund ihres Geschlechts als auch ihrer Behinderung Diskriminierung erfährt und gleichzeitig aus dieser gesellschaftlichen Positionierung heraus ihr politisches Engagement begründet und organisiert. Sie setzen auf die gegenseitige Unterstützung von Frauen mit Behinderung und sehen darin die Möglichkeit für einen Erfahrungsaustausch auf Augenhöhe sowie für eine Stärkung der Lebensautonomie der Frauen. Auch beim Slutwalk München wird durch den gemeinsamen Konsens über Queerfeminismus ein Safe Space hergestellt, in dem offen über die eigenen Identitäten, Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen wie auch über die eigene mentale Gesundheit gesprochen werden kann, was die Gruppe zusammenhält und von der Gesamtgesellschaft abgrenzt.

Ethnographische Forschung in sogenannten Safe Spaces ist spätestens dann nicht möglich, sobald ein*e Forscher*in anders positioniert ist als die Mitglieder einer aktivistischen Gruppe: Zum Beispiel wenn eine weiße Forscherin zu Schwarzem Feminismus oder ein cis-männlicher, heterosexueller Forscher zu Queerfeminismus forschen möchte. Dies stellt das Forschen in und über feministische Bewegungen vor besondere Herausforderungen und erfordert eine verstärkte Reflexion der eigenen Rolle und Positionierung im Feld, der Wahl des Forschungsfeldes sowie der Konzeption des Forschungsdesigns.

 

Literatur:
Kokits, Maya Joleen/ Thuswald, Marion (2015): gleich sicher? sicher gleich? Konzeptionen (queer) feministischer Schutzräume. In: FEMINA POLITICA 24/1, S. 83-93.
Kenney, Moira (2001): Mapping gay LA: the intersection of place and politics. Philadelphia.
Hoeder, Ciani-Sophia (2020): Unter Schwarzen: Sind “Safe Spaces” heilend, selektiv, beides oder nichts? In: RosaMag am 26.2.2020. URL: https://rosa-mag.de/unter-schwarzen-sind-safe-spaces-heilend-selektiv-beides-oder-nichts/ (23.02.2020)
von Alina Siewert
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