Feminismus ist als Denk- und Handlungsraum zu verstehen (Binder 2010). Wie in allen sozialen Bewegungen muss der Entwicklung gesellschaftlicher Kritik und Theorie sowie politischen Ideen, Forderungen und Zielen – also bestimmter Denkweisen – Organisierung folgen, um politisch handlungsfähig zu werden. Dabei werden Bündnisse eingegangen oder Gruppen gebildet, die nach einem gemeinsamen Konsens streben. Organisierung ist dabei immer ein sozialer Prozess, der die Interaktion mit anderen Menschen voraussetzt – und die Interaktion ist immer auch Teil des Ziels (vgl. Bewernitz 2018).
Die Komplexität des zu erreichenden Ziels bedingt dabei auch die Komplexität der Organisierung. Des Weiteren braucht Organisierung (öffentlichen) Raum, um politischen Wandel zu erzielen: um sich zu treffen, auszutauschen, in Kontakt mit anderen Menschen zu treten und sichtbar zu werden (ebd.). Diese Dimension der Räumlichkeit spielt gerade für feministische Bewegungen eine wichtige Rolle, ging es doch auch immer darum männlich dominierte Räume zu durchbrechen und als Frauen selbst »Raum [zu] greifen« und »Platz [zu] besetzen« (Binder 2010: 28f.). Die Selbstorganisierung und Machtbildung von Frauen in Gruppen und Netzwerken spielten in der zweiten Frauenbewegung – aber auch bis heute – eine zentrale Rolle: »Denn sie bildeten einen sozialen Raum, in dem Frauen ihre Probleme und Erfahrungen individuell einbringen und gemeinsam kritisch bearbeiten und deuten konnten“ (Lenz 2008: 24). Organisierung ist in feministischen Bewegungskontexten sowohl „wichtig, um Geld, Zeit und Menschen […] zu gewinnen«, als auch um »symbolische Räume für wechselseitige Anerkennung und für die Erarbeitung von neuem Genderwissen« zu schaffen (ebd.).

Seit den 1970er Jahren kam es verstärkt zu einer transnationalen feministischen Organisierung, die aufgrund der sehr unterschiedlichen weltweiten Beweggründe und globalen Ungleichheiten jedoch auch Konflikte und Differenzen mit sich brachte. Die Entwicklung eines transnationalen Feminismus gleicht einem »stetigen Ringen um Solidarität« das bis dato noch nicht abgeschlossen ist (Fink, Ruppert 2009: 64). Transnationale Feminismen versetzen Aktivist*innen, die sich gegen Formen patriarchaler Gewalt und Unterdrückung in unterschiedlichen Gemeinschaften und Regionen einsetzen, in die Lage länderübergreifend Koalitionen, Zusammenschlüsse und Solidaritäten zu bilden. Sie stellen dabei auch einen weißen Feminismus in Frage und gehen davon aus, dass die Unterdrückung von Frauen nicht nur auf der Kategorie Geschlecht beruht, sondern auch race, class, sexuality, ethnicity, religion und nation dabei eine Rolle spielen und dadurch weltweit sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede aufweist (vgl. Herr 2013, freie Übersetzung NO).
Für einen transnational organisierten Feminismus steht beispielsweise die aus Argentinien stammende Initiative Ni Und Menos, die sich den Kampf gegen Gewalt an Frauen zum Ziel setzen. Ebenso einer transnationalen Initiative entstammen sowohl die Catcallsofmuc als auch der Slutwalk. Sie agieren in Untergruppierungen regional und autonom in München, setzen sich aber auf bundesweiter sowie transnationaler Ebene zusammen mit anderen lokalen Gruppen für gemeinsame Ziele wie das Recht auf körperliche Selbstbestimmung ein und praktizieren ähnliche Protestformen – wie bei Catcallsofmuc das »Ankreiden« oder beim Slutwalk die alljährliche große Demonstration.

Die Pro Choice-Aktivist*innen der Antisexistischen Aktion München (ASAM) organisieren sich dagegen vorrangig lokal und vor allem in Reaktion auf das Handeln politischer Gegner*innen – wie zum Beispiel in Form von Gegenprotesten anlässlich des »1000-Kreuze-Marschs« der Lebensschutzbewegung.
Die stärker autonome Organisierung sozialer Bewegungen kann auch in eine Form von Institutionalisierung und Professionalisierung übergehen, wie vor allem in den 1980er und 1990er Jahren in Zusammenhang mit der Zweiten Frauenbewegung zu beobachten war (vgl. Lenz 2008: 32). In diesem Kontext sind ebenfalls Programme für die Stärkung von Unternehmensgründerinnen wie das in dieser Ausstellung gezeigte Projekte guide München zu verorten, wobei feministische Konzepte wie Empowerment und Emanzipation zwar aufgegriffen, aber oftmals neoliberal gewendet werden.

 

Literatur:
Bewernitz, Torsten (2018): Organisieren oder Mobilisieren?. In: Bildpunkt, Zeitschrift der IG Bildenden Kunst, Nr. 46; 16.05.2018. URL: https://www.linksnet.de/index.php/artikel/47452 (01.03.2021).
Binder, Beate (2010): Feminismus als Denk- und Handlungsraum. Eine Spurensuche. In: Fenske, Michaela (Hrsg.). Alltag als Politik – Politik im Alltag. Dimensionen des Politischen in Vergangenheit und Gegenwart. Berlin, S. 25-43.
Fink, Elisabeth/Ruppert, Uta (2009): Postkoloniale Differenzen über transnationale Feminismen. Eine Debatte zu den transnationalen Perspektiven von Chandra T. Mohanty und Gayatri C. Spivak. In: Femina Politica, Schwerpunkt: Feministische Postkoloniale Theorie? Gender und (De-)Kolonisierungsprozesse, Heft 02/2009, S. 64-74.
Herr, Ranjoo S. (2013): Third World, Transnational, and Global Feminisms. In: Mason, Patrick (Hrsg.) Encyclopedia of Race and Racism Vol. 4 (second ed). Routledge, S. 190-195.
Lenz, Ilse (2008): Die unendliche Geschichte? Zur Entwicklung und den Transformationen der Neuen Frauenbewegung in Deutschland. In: Lenz, I. (Hrsg.): Die neue Frauenbewegung in Deutschland. Wiesbaden, S. 21-44.
Von Noreen Osterlehner
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