Die Veränderung von Sprache ist eng mit dem Wertewandel der Gesellschaft und damit auch mit einer feministischen Transformation dessen verbunden. Denn die Sprache spiegelt Normen, Werte und Regeln wider (Fishman 1975: 30). Der Einfluss auf die Entwicklung der Sprache lag besonders in den Händen derjenigen in Machtpositionen und damit vor allem von Männern, die in patriachalen Gesellschaften über kulturelles Kapital verfügten (Bourdieu 1983). Die bis heute hegemoniale Sprache legt den Mann als Norm und alle anderen Geschlechter als davon abweichend fest. Dadurch verdrängte sie alle anderen Geschlechter in eine Unsichtbarkeit, die nicht mitgesprochen wurden (Gümüşay 2020). Des Weiteren waren Frauen in der Sprache lange nur Objekte und nicht Subjekte, deren Stimme und Erfahrung zählten. Dies zeigt sich beispielsweise an der Männer-zentrierten Geschichtsschreibung (Harraway 2007). So kann Sprache mit Foucault als Machtinstrument betrachtet werden (Foucault 2005: 251).

Allerdings prägen nicht nur weit verbreitete Denkweisen die Sprache, sondern auch die umgekehrte Verkettung ist als Sapier-Whorf Hypothese in der Linguistik bekannt: die Sprache präge auch umgekehrt die Wahrnehmung und das Denken über die Welt (Whorf 1963). Das zeigt sich unter anderem daran, dass mit den Bezeichnungen bestimmter Berufsgruppen wie beispielsweise »Arzt« immer noch Männer assoziiert sind (Gümüşay 2020). Also stützt und reproduziert die Sprache auch Machtstrukturen und sorgt sogar dafür, dass geschlechtshierarchisierende Rollenzuschreibungen bis hin zu Misogynie, also Frauenverachtung, auch bei Frauen internalisiert ist (Dehlin / Galliher 2019: 256).

Sprache ist somit auch ein wichtiges Handlungsfeld der politischen Praxis feministischer Akteur*innen, wie sich in dieser Ausstellung zeigt. Das äußert sich zum Beispiel in der Veränderung oder Neufindung von Begriffen. So gibt innerhalb der Gruppe Ni una menos Munich  eine Debatte um die Bezeichnung der biologisch weiblichen Geschlechtsorgane.

Zu diesen feministischen Interventionen zählt auch die (Weiter-)Entwicklung und Etablierung einer gendersensiblen Sprache, die inspiriert vom Queerfeminismus nicht nur Frauen, sondern eine Vielfalt an Geschlechtern mitdenkt (Butler 1999). Die Frage nach dem »Gendern» der Sprache wird von konservativen und anti-feministischen Akteur*inenn oft als unnötige Debatte dargestellt. Allerdings kommt auch die gendersensible Sprache an ihre Grenzen, da sich in manchen Sprachen leichtere Lösungen bieten als in anderen: z.B. im Englischen für intergeschlechtliche oder non-binäre Personen die Bezeichnung »they/them«. Zudem herrscht auch über die inklusivste Variante des Genderns mit Binnen-I oder Asterisk eine Debatte innerhalb feministischer Bewegungen. Manche der hier erforschten Felder haben sich deshalb einheitlich auf eine Schreibweise geeinigt, wie beispielsweise die Jungen*arbeit.

Es gibt außerdem eine aktivistische Tradition, als Beschimpfung genutzte Begriffe positiv umzuwerten und damit die Macht über diese wieder zurück zu gewinnen (Brontsema 2004). Die Verwendung von »Slut«/»Schlampe“«im Slutwalk ist ein Beispiel für das Reclaiming (Deutsch: Trotzwort). Das Reclaiming des Begriffes »Schlampe« inspirierte auch Wepsert dazu, den bayrischen, abwertenden Begriff »Wepsert« als positive Selbstbezeichnung zurückzugewinnen. Unklar bleibt dabei aber, ob das Reclaiming gelingt und es eine Retraumatisierung durch Triggerworte verhindert. Initiativen wie Catcallsofmuc kreiden andererseits verletzende Sprache als Machtinstrument an und gehen dagegen vor. Sprache kann je nach Rezipient*in immer sowohl ein- als auch ausschließend wirken. Dies zeigt auch der Begriff »Feminismus« selbst. Während sich die meisten der in dieser Ausstellung vorkommenden Initiativen und Gruppen mit diesem Begriff identifizieren, wird dieser in anderen Forschungsfeldern wie der geschlechtersensiblen Jungen*arbeit oder der Förderung von Unternehmensgründerinnen auch kritisch hinterfragt oder sogar abgelehnt, weil sie beispielsweise Angst haben, durch die Selbstbezeichnung mögliche Allianzen oder Mitglieder von vorneherein abzuschrecken. Auch innerhalb feministischer Kreise wird das Wort »Feminismus« überdacht, weil er inzwischen im Mainstream angekommen ist und damit an Bedeutung einbüße, wie sich am Werk der Autorin Jessa Crispin »Warum ich keine Feministin bin – Ein feministisches Manifest« zeigt.

Literatur:

Brontsema, Robin (2004): A Queer Revolution: Reconceptualizing the Debate Over Linguistic Reclamation. In: Colorado Research in Linguistics Volume 17.
Butler, Judith (1991): Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt a. M.
Bourdieu, Pierre (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Keckel, Reinhard (Hrsg.): Soziale Ungleichheit. Soziale Welt, Sonderband 2, 183-198.
Dehlin, Adrian J./ Galliher, Renee V. (2019): Young Women’s Sexist Beliefs and Internalized Misogyny: Links With Psychosocial and Relational Functioning and Political
Behavior. In: PSI CHI, THE INTERNATIONAL HONOR SOCIETY IN PSYCHOLOGY (VOL. 24, NO. 4), 255-264.
Fishman, Joshua A. (1975): Soziologie der Sprache. Hueber.
Foucault, Michel (2005): Subjekt und Macht, in: Michel Foucault, Analytik der Macht, Frankfurt a.M., 240-263.
Gümüşay, Kübra (2020): Sprache und Sein. Hanser.

Haraway, Donna: Situiertes Wissen (2007). Die Wissenschaftsfrage im Feminismus und das Privileg einer partialen Perspektive. In: Sabine Hark (Hrsg.): Dis/Kontinuitäten: Feministische Theorie. 305-22.

Whorf, Benjamin Lee (1963): Sprache, Denken, Wirklichkeit. Beiträge zur Metalinguistik und Sprachphilosophie. Rowohlt.

von Kerstin Thost

 

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