fEin wichtiges Anliegen der zweiten Frauenbewegung ab Anfang der 1970er Jahre war die Umgestaltung des »staatlich organisierten Kapitalismus« (Fraser 2009: 44). Dazu gehörten die Forderungen wie die Aufwertung unbezahlter Fürsorgearbeit sowie die Abschaffung des traditionellen Ernäher-Modells. Ein großer Teil der Frauenbewegung ging davon aus, dass Frauenemanzipation und Geschlechtergerechtigkeit nur durch Veränderungen am kapitalistischen System erreicht werden könnten (ebd.: 49). Jedoch scheiterten sie mit ihrer Systemkritik insofern, als der Kapitalismus sich selbst zu wandeln schien.
Neoliberale Konzepte wie Privatisierung, individuelle Verantwortlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit breiteten sich aus. Diese Entwicklung gab feministischen Forderungen, wie dem Eintritt von Frauen in den Arbeitsmarkt, weiblichem Unternehmertum und ökonomischen Emanzipationsbestrebungen, zunächst einen Aufwind. (ebd.: 50) Jedoch ging mit der Aufnahme dieser emanzipatorischen Bestrebungen im Neoliberalismus eine Umdeutung einher, um neoliberale Werte und Normen zu legitimieren (ebd.: 50): Frauen wurden als Arbeitskräfte begrüßt, jedoch nicht von Haus- und Familienarbeit entlastet und waren somit einer Doppelbelastung von Lohn- und Sorgearbeit ausgesetzt. Forderungen nach Selbstbestimmung und – verwirklichung wurden zu Imperativen der Selbstoptimierung, Leistungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit.
Gleichzeitig gelangte Feminismus im Neoliberalismus in den Mainstream. Beispiele sind Gwyneth Paltrows Vermarktung von Kerzen namens »This Smells Like My Vagina« oder der Verkauf von Dior T-Shirts mit dem Aufdruck »We All Should Be Feminists« – ein Zitat der nigerianischen Autorin und Feministin Chimamanda Ngozi Adichie. Die Soziologin Rosalind Gill betont, dass der Neoliberalismus Frauen zwar neue Freiheiten und Möglichkeiten eröffnete, »allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie sich vom Feminismus als einer kollektiven politischen Bewegung für radikale gesellschaftliche Veränderung distanzieren.« (Gill 2018: 17)
Frauen kommt daher eine Schlüsselrolle im Neoliberalismus zu: sie werden als aktives Publikum, als Konsumentinnen, als Leistungsträgerinnen, Erwerbstätige etc. wahrgenommen und adressiert, woraus neue zeitgenössische Weiblichkeiten hervorgingen (McRobbie 2010: 44). Diese sind oftmals mit Werten wie Kompetenz, Erfolg, Leistung, individueller Freiheit und Selbstliebe verbunden, welche jedoch den selbstoptimierenden Logiken des Neoliberalismus folgen. Denn die neoliberale Selbstoptimierung, oftmals sogar Selbstüberwachung, produziert auf individueller Ebene Unternehmer*innen ihrer Selbst, die ihren Alltag nach einem Kosten-Nutzen-Kalkül ausrichten. Daher gilt jede*r als selbstverantwortlich für ihr/sein Glück, die Vereinbarkeit von Familienleben und Beruf, das eigene Wohlbefinden etc. (Rottenberg 2014: 421ff). Die Konzepte der Privatisierung, individuellen Verantwortlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit wurden so subjektiviert. Dadurch entstehen im neoliberalen Feminismus neue Formen von Zwängen, Ungleichheiten und Ausschließungen, an denen antifeministische Positionen wiederum anknüpfen und die Vorzüge traditioneller Geschlechterrollenverteilung propagieren (McRobbie 2010: 89ff).
Neoliberalismus spielt auf unterschiedliche Art und Weise in den jeweiligen Ausstellungsräumen eine Rolle: bei aktivistischen Gruppen vor allem in Form von Systemkritik wie bei Ni Una Menos Munich, dem Slutwalk oder der Antisexistischen Aktion München (ASAM). Sie sehen eine Verbindung zwischen patriarchalen Verhältnissen und dem neoliberalem Kapitalismus und wenden sich mit ihrer politischen Praxis gegen die Abwertung von Care-Arbeit, den gesellschaftlichen Leistungsdruck und Konkurrenzkampf, die doppelte Belastung von Frauen und die verstärkte soziale globale Ungleichheit. Im Beratungsprogramm für Unternehmensgründerinnen guide spiegeln sich Werte und Normen des Neoliberalismus insofern wider, als dass in den Beratungspraxen sowie den Erfahrungen der Unternehmerinnen sich die neoliberalen Anforderungen des unternehmerischen Selbst wie auch seine problematischen Folgen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zeigen.
Die Münchner Technoszene ist ebenfalls durch neoliberale Verhältnisse geprägt: Auch Clubs und Musiklabels sind (mittlerweile) einer Profitlogik unterworfen und werden konsumiert. Diese Räume feministischer und inklusiver zu gestalten, geht immer mit der Gefahr einher, die neoliberale Kommerzialisierung emanzipatorischer Ideen weiter voranzutreiben, und bewegt sich so in einem schwierig aufzulösenden Spannungsfeld.
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